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Kürzlich haben wir uns hier mit Honig in der Krisenvorsorge befasst. Darüber kam ich auf die Idee mich auf die Suche nach einem Imker zu begeben, der Stadthonig herstellt. Die meisten denken Honig kommt ausschließlich vom Lande, das ist aber so nicht richtig. Denn gerade in der Stadt, in den Parks und an den Balkonen haben wir eine ganz besondere Blütenvielfalt. Aber lest selbst. Ich sprach mit Victor Hernández aus Kassel, er betreibt das Geschäft Kasseler Stadthonig und ist leidenschaftlicher Stadtimker.
Danke das Du Dir die Zeit nimmst, um ein kleines Interview für meinen Blog zu beantworten. Zunächst interessiert es mich, wie Du überhaupt auf die Idee gekommen bist Bienen zu halten? Ging es Dir direkt um den Honig?
Sehr gerne! Nein, tatsächlich ging es mir nicht um den Honig. Es ging mir eher um ein handwerklich hergestelltes Lebensmittel. Da ich leidenschaftlich gerne koche, treibt mich die Frage nach dem Ursprung meiner Lebensmittel schon sehr lange um. Wo stammen sie her? Wer hat sie gemacht? Wie hat er sie gemacht? Was nimmt man für Hilfsmittel? Was ist verzichtbar? Auf diese Weise habe ich mich damals intensiv mit der Herstellung von Wurst beschäftigt. Später mit Rohmilchkäse. Dann habe ich einen Angelschein gemacht.
Du kennst doch diese These, dass man etwas 10.000 Mal wiederholt haben muss, um darin ein Meister zu sein. Das geht auf die Studie von Malcolm Gladwell zurück.
Jetzt folgt ein Zahlenspiel: Nun ich war damals 33 Jahre alt und esse pro Tag im Durchschnitt etwa zwei Malzeiten. Damit komme ich auf weit mehr als 20.000 Mahlzeiten. Man dürfte also annehmen, dass ich wirklich ein Experte darin bin. Tatsächlich schaufeln wir aber ganz viel in uns hinein, ohne darüber nachzudenken. Wir stellen nichts in Frage, wenn es nur süß oder fettig genug ist. Damit wollte ich aufhören. Und wenn man dann so über Super-Foods und vermeintliche Super-Foods recherchiert, stößt man relativ schnell auf Honig.
Zeitgleich war eine Kollegin von mir ziemlich genervt davon, dass ich in den Mittagspausen von verschiedenen Fischen erzählte, und welche hier bei uns leben… Sie meinte, dass sei ja alles ganz schön und gut. Aber ich solle mich doch mehr auf vegetarische Projekte konzentrieren. Es war natürlich nicht ganz uneigennützig von ihr. Aber ich meinte: Komm, schlag etwas vor?!
Sie kam gerade aus Prag und erzählte von Prager Stadtbienen. In Kassel gab es keine Stadtbienen. Zumindest war nichts darüber zu finden. Zwar gab es Imker am Stadtrand, aber keiner traute sich auf die Gläser „Stadthonig“ zu schreiben. Wieso eigentlich nicht?
Ich begann meine Recherche (bis dahin hatte ich die längste Zeit als Journalist bei einer Tageszeitung gearbeitet) und stellte fest. In Paris, Sydney, New York und auch in Berlin, Hamburg und Frankfurt gab es bereits Stadtimker. Und deren Arbeit war hervorragend dokumentiert und untersucht. Damit war klar: Ich kann gar keinen Landhonig machen. Denn dieser ist meistens schwer belastet von landwirtschaftlichen Pestiziden. Die meisten Menschen haben keine Vorstellung, welche Mengen da Jahr für Jahr ausgebracht werden. Das landet natürlich alles im Honig. Außerdem lebe ich in der Stadt und hier wollte ich auch meine Bienen haben. Und so besuchte ich Lehrgänge und Kurse und dachte eigentlich, was für ein schöner Zeit vertreib. Aber ich werde sicher bald an den Punkt kommen, an dem klar ist, warum ich keine Bienen halten kann. Aber dieser Moment kam nicht. Statt dessen zogen die ersten Bienenstöcke auf das Dach meines Wohnhauses.
War es schwierig einen Ort für die Bienen zu finden? Manch ein Vermieter fängt da ja sicher schnell an Argumente gegen Bienen zu suchen.
Als Eigentümer des Mehrfamilienhauses in der Kasseler Innenstadt brauchte ich nicht groß jemanden zu Fragen. Nur das örtliche Veterinäramt musste ich natürlich informieren.
Später wurden mir Grundstücke und Dächer von Freunden angeboten. Und so begann ich mein Netz über die Stadt zu werfen und in möglichst vielen Stadtteilen meine Stöcke aufzustellen. Da Bienen im Radius von 3 Kilometern fliegen und sammeln, ist der Honig von jedem Bienenstand immer charakteristisch für die dort vorherrschende Vegetation. Ganz einfach: Im Bergpark Wilhelmshöhe am Habichtswald blüht es natürlich anders als unten an den Fulda-Auen oder im Botanischen Garten…
Wie teuer ist der Start für den Hobby-Stadtimker in Spe?
Die Ausrüstung ist schon recht kostspielig und es ein Fass ohne Boden. Die ersten 2000 Euro waren schnell weg. Und der Imkereibedarfshändler freut sich immer einen zu sehen. Man kommt da nicht unter 500€ Kassenbon weg. Anfangs habe ich mir in einer Excel-Tabelle alle Ausgaben notiert. Dann nach der ersten Ernte meine Verkaufserlöse gegengerechnet. Der Haken war nur, dass ich sehr viel Honig verschenkt habe. Von Freunden und Familie will man doch keine 5 Euro verlangen. Man freut sich ja eher, dass die sich für mein Hobby interessieren und beim Abendessen etwas über Bienen erfahren möchten. Also fängt man an, sich die Sache schön zu rechnen. In der Zwischenzeit habe ich etwa den Gegenwert eines neuen Porsche in meine Bienenliebe versenkt. Ich benutze dieses Bild ganz gerne, weil sich jeder vorstellen kann, dass ein Porsche als Luxuskarre viel Geld kostet. Aber selbstredend hätte ich niemals so viel innere Freude mit einem Auto erfahren wie ich es aber mit den Bienen erlebt habe. Wirklich nachhaltige Glücksmomente. Und die werden noch größer, wenn man die Freude mit anderen Bienenliebhabern teilt.
Macht es Sinn vorab einen Kurs zu belegen, um das Handwerk vernünftig zu erlernen?
Ohne Kurs starten viele in die Bienenhaltung. Und das endet oft im Desaster. Der Kurs ist aber lediglich eine Ergänzung zu all dem was man nebenher liest, sieht und erfährt. Ich bin anfangs vor allem im Winter quer durch die Republik gereist, um mir Bienenvorträge anzuhören. Wenn Wissenschaftler oder große erfahrene Imker referiert haben, saß ich in der ersten Reihe. Kaum ein YouTube-Video, dass ich nicht gesehen hatte. Die Literatur wurde ebenfalls verschlungen. Und natürlich schaute ich gerne andere Imkern über die Schulter. Es gibt so viele Handgriffe, wir reden nicht von der Theorie, ganz praktische Handgriffe, die man einfach mal gesehen haben muss, um sie zu verstehen. Zumindest viel es mir leichter so zu lernen. Deshalb biete ich seit einigen Jahren für eine Handvoll Einsteiger solche Praxiskurse an. Ich erkläre denen nicht das ultimative Imkern. Sondern ich versuche sie vor den Fehlern zu bewahren, die ich bereits begangen habe.
Einen Bienenstock zu haben ist das eine. Aber was macht man wenn der Honig reif ist und man ihn ernten will? Wie kriegt man ihn dann aus den Wabenbrettern? Ich hoffe ich habe das jetzt richtig formuliert. Muss man zwangsläufig in einen Verein, um den Honig schleudern zu können?
Wenn Du nur zwei, drei Völker hast ist die Anschaffung einer eigenen Schleuder schon sehr kostspielig. Der Billig-Kram aus Fernost geht meistens schon mitten im Einsatz kaputt. Also lieber hochwertig kaufen oder sich mit anderen zusammen tun. Das kann, muss aber nicht im Verein sein. Vereine bieten aber manchmal solche Möglichkeiten an. Das muss man einfach mal überprüfen. Der Beitritt in den Verein kann sich aber auch schon lohnen, weil man auf diese Weise die Bienen bei der Tierseuchenkasse meldet und im Mitgliedsbeitrag verschiedene Versicherungen enthalten sind. Am Vereinsleben muss man deshalb nicht zwingend teilnehmen. Allerdings hat man da ein lokales Netzwerk von erfahrenen Imkern, die können einem natürlich auch mal weiterhelfen.
Ich beschäftige mich ja mit Honig, weil es in der Krisenvorsorge eine Rolle spielt. Honig ist ja sozusagen bei richtiger Lagerung ewig haltbar. Aber welche Gesundheitsfördernden Aspekte hat Honig noch aus Deiner Erfahrung?
Honig ist seit der Antike bekannt für seine Heilwirkung. Und in den meisten Ländern dieser Welt wird Honig auch medizinisch verstanden. In unserer westlichen Konsumwelt ist das anders. Aber da schießen wir uns halt selbst in Knie. Was den Honig gesund macht, ist vor allem der hohe Grad an Enzymaktivität. Diesen haben die Bienen mit viel Arbeit in das Produkt gebracht. Wenn der Mensch nach der Ernte den Honig erhitzt, sterben die Enzyme wieder ab. Dann ist er zwar noch süß und klebrig, aber nicht mehr gesund und wertvoll. Fast alle Importhonig werden thermisch behandelt. Deshalb sollte man davon Abstand nehmen. Denn Lagerung in Fässern und spätere Abfüllung erfordert dieses Erhitzen.
Ich verwende Honig abseits von der Küche bei Schnitt- und Brandwunden. Es ist immer das erste, was ich drauf mache. Und natürlich spielt in dem Zusammenhang Propolis eine große Rolle…
Bei Halsschmerzen und Nebenhöhlenentzündungen: Honig in den Mund. Das ist inzwischen wissenschaftlich untersucht. Es wirkt besser als Antibiotika!
Richtig lagern bedeutet: Trocken, dunkel, kühl (aber nicht Kühlschrank) und vor allem Luftdicht. Dann gibt es am Honig keinen Vergang.
Wenn man sich Honig kauft, worauf sollte man dabei achten? Was ist Dir persönlich wichtig oder worauf weist Du gern hin?
Ich kaufe nur lokalen Honig von kleinen Imkereien. Im Urlaub kaufe ich immer bei Imkerkollegen auf dem Markt lokalen Honig. Aber ich würde nicht in den Supermarkt gehen und dort Honig kaufen, von dem ich nicht genau wüsste, dass er nicht von dort stammt. Der Verbraucher muss mitdenken. Das ist grundsätzlich so. Und auch der Honigliebhaber muss bereit sein, ein Glas zu drehen und auf der Rückseite die Herkunft lesen. Denn 80% des Honigs auf dem deutschen Markt sind Importhonige, die meines Erachtens nach keiner bräuchte. Aber sie sind natürlich viel billiger produziert als es eine kleine Imkerei kann.
Meine Leser und ich sind Fans von Vollverwertung. Verwertest Du alles was die Bienen produzieren? Also, ich habe zum Beispiel gelesen, dass die Bienen die Waben wenn sie voll sind verschließen. und wenn man dann den Honig schleudert werden diese Kammern wieder geöffnet. Was passiert mit diesen Stückchen bei Euch?
Natürlich! Honig ist ja nur das bekannteste Produkt aus dieser kleinen summenden Bienen-Fabrik. Die Immen, so nannte man die Bienen früher, produzieren noch Wachs, Propolis, Gelee Royal und natürlich wertvolles Bienengift. Wir verwenden alles aus dem Volk bei gleichzeitig sehr extensiver Bewirtschaftung. Mit dem Wachs stellen wir Kerzen her und natürlich Bienenwachstücher, um Lebensmitteln darin einzuschlagen. So vermeiden wir Plastik in der Küche.
Nicht jeder möchte direkt Bienen „halten“ und die Verantwortung für ganze Völker übernehmen. Was kann man denn sonst den Bienen Gutes tun? Wir hören ja sehr viel vom Bienensterben.
Wer Bienen schützen will muss nachhaltig einkaufen. Wenn Du zum Beispiel konventionelles Brot kaufst, dann wurde dieses Getreide für das Mehl garantiert mit Glyphosat bespritzt. Das ist ein sehr bekannter Bienen-Killer. Nur in der kontrolliert ökologischen Landwirtschaft wird so etwas nicht eingesetzt. Und es gibt noch viele andere Gifte. Mit unserem Einkaufsverhalten können wir Kettenreaktionen auslösen, die am Ende zu einer bienenfreundlicheren Welt führen können.
Und selbstverständlich gehört das konkrete Schaffen von Nahrungsquellen und Nistplätzen im eigenen Garten oder auf dem Balkon auch dazu. Aber der größte Hebel liegt direkt an unserem Einkaufswagen. Denn wir fördern mit der Kaufentscheidung entweder das eine System oder das andere. Und von konventioneller Landwirtschaft und industrieller Viehzucht für Fleischproduktion wissen wir längst, wird unsere Welt nicht bienenfreundlicher.
Wir konnten Dich und Deine Ansichten nun schon etwas kennen lernen. Wenn jetzt einer auf den Geschmack gekommen ist, wo kann er oder sie denn Deine Produkte rund um die Biene kaufen?
Am schönsten finde ich es, wenn man uns in der Stadtimkerei besucht. Hier kommen wirklich viele Bienenfreunde vorbei. Natürlich gibt es einen Online-Shop auf unserer Webseite. Aber nochmal ich plädiere dafür, wenn man in Flensburg lebt, nicht unseren Honig zu bestellen, sondern sich auf die Suche nach einem lokalen Imker in der direkten Nähe zu machen.
Viele kleinen Imker haben keine Internetseite, daher sind sie schwer zu finden. Aber ich werde doch immer ganz leicht einen Imkerverein googlen können. Und wenn ich dort den Vorstand anrufe, kann der mir ganz sicher sagen, welches seiner Mitglieder in meiner Nähe Bienen hält.
Abschließend möchte ich Dir herzlich für den Zeitaufwand danken. Mach es gut und bleib wild, gesund und so natürlich wie Du bist.
Bildquellen
- IMKER und Stadtbienen: www.kassel-stadthonig.de
- Hernández mit Stadtbienen Honig: Stadtimker Hernández
- Vorsicht Stadtbienen: www.kassel-stadthonig.de
- Honigladen der Stadtbienen: www.kassel-stadthonig.de
- Stadthonig von Stadtbienen: Victor Hernández