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Antje ist eine Heldin des Alltags, die auch in der Zukunft mit ihrem Ehrenamt noch eine übergeordnete Rolle spielen wird. Egal ob Naturkatastrophe, Bürgerkrieg, Lieferkettenunterbrechung, Blackout oder die nächste Pandemie, psychosoziale Notfallhelfer gewinnen mehr und mehr an Bedeutung und das sicher nicht nur bei Unfällen oder Selbstmorden. In der Welt passiert sehr viel Tragisches und psychosoziale Notfallhelfer werden dringend gebraucht in der Gesellschaft. Grund genug, uns diese ehrenwerte freiwillige Arbeit näher anzusehen. Ich bedanke mich bei Antje für dieses Interview und das dadurch gewonnen Verständnis für diese Berufung.
1.
Liebe Antje, danke erstmal für die grundsätzliche Bereitschaft zu einem Gespräch. Mich interessieren immer die Helden des Alltags und die Aufgaben, die sie sich meist selbst freiwillig geben. Du bist eine ausgebildete psychosoziale Notfallberaterin übergreifend zum Katastrophenschutz, habe ich das soweit richtig umrissen? Was macht man da genau, kannst du uns deine Aufgaben ein wenig erläutern?
Antje: Ja genau richtig . Unsere Teams erstrecken sich bundesweit. In vielen Bundesländern gibt es mehrere Teams um flächendeckend arbeiten zu können. Unsere Aufgaben bestehen darin Menschen in schweren Stunden zur Seite zu stehen. Mein jüngstes Ereignis bestand zum Beispiel darin, die Todesnachricht eines Autofahrers der Familie zu überbringen. Manchmal sind es Suizide wo die Familie hilflos zurückbleibt, plötzlicher Kindstod und eben auch tödlich ausgehende Unfälle. Wir sind dann für die Hinterbliebenen Angehörigen da. Manchmal zum Reden, auch mal zum Schweigen, das soziale Netzwerk aktivieren, Möglichkeit geben Abschied vom Verstorbenen zu nehmen und oft geben wir Struktur und Auskunft darüber wie es jetzt weitergeht. Das sind natürlich nur ein paar Beispiele.
2.
Um in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) zu arbeiten muss man wahrscheinlich einen Kurs oder eine Ausbildung machen. Wie lange dauert das und sind Einsätze dann auch garantiert, wenn man fertig abgeschlossen hat?
Antje: Ja man muss einen Kurs absolvieren der sich über mehrere Tage erstreckt. Einmal 5 und einmal 6 Tage. Und ja Einsätze sind garantiert. Was ich vielleicht noch erwähnen sollte, ist, dass es ein Ehrenamt ist. Aber wenn man wie zum Beispiel ich, für Menschen in schweren Situationen helfen möchte, einfach nur damit sie nicht allein sind, ist es genau das Richtige.
3.
Wie ich bei den Maltesern zum Beispiel nachgelesen habe, helfen psychosoziale Notfallberater ja nicht nur direkt Betroffene von Katastrophen, sondern auch durchaus den humanitären Helfern selbst, die ja oft auch viel erleben und verarbeiten müssen. Hast du da den Eindruck, dass die Helfer selber gerne diese Hilfe in Anspruch nehmen, oder ist das eher nicht so der Fall?
Antje: Ja, auch Feuerwehrleute, Sanitäter und andere humanitäre Kräfte erleben schlimme und manchmal schwer verarbeitbare Situationen. Und selbstverständlich sind wir auch für diese tollen und unverzichtbaren Menschen da. Auch sie haben das Recht mal zu reden oder auch zu weinen. Einfach nur um alles Gesehene und Erlebte mal zu verarbeiten. Die Regel gibt da eigentlich den SBE- Schein vor, das ist die Spezialbetreuung für Einsatzkräfte, aber ganz ehrlich, wenn es die Situation erfordert, schicke ich keinen Menschen weg, wenn er mit mir sprechen möchte.
4.
Es gibt das Klischee, dass Menschen in sozialen Berufen oder Ehrenämtern oftmals helfen, um sich selbst zu helfen, indem sie sich von sich selbst ablenken aufgrund eigener starker Probleme. Manche haben starke Defizite, ich kenn das gerade aus dem Bereich der Lehrer oder besonders von Erzieherinnen aus Kindergärten. Da denke ich mir oft, die kann man eigentlich kaum auf die Menschheit loslassen. Ist das im Segment der psychosozialen Notfallversorgung auch stark verbreitet oder schätzt du die Mitarbeiter dort als eher bodenständig und ihrer persönlichen Mitte ein? Ich weiß die Frage ist hart, aber ich bin ja immer frei raus und trau mich auch unbequeme Fragen zu stellen.
Antje: Interessant ist, dass die meisten Kollegen auch hauptberuflich in sozialen Berufen tätig sind. Vertreten sind dort Rettungssanitäter, Feuerwehr, Polizisten, Krankenschwestern und Pastoren. Ich denke eher, dass sich deshalb alle in ihrer persönlichen Mitte befinden, weil eine psychische Stärke grundsätzlich vorhanden ist.
5.
Wie viele Einsätze hattest Du schon? Wieviel Zeit nimmt Dein Ehrenamt im Monat ein?
Antje: Das kann ich tatsächlich nicht mehr in Zahlen zusammenfassen. Mal sind in einem Monat 2-3 Einsätze und mal gibt es auch monatelang keine.
6.
Was war Dein schlimmster Einsatz bisher? Natürlich ohne Namen und Ortsangabe.
Antje: Da jeder Einsatz unmittelbar mit dem Tod in Verbindung steht, kann ich dazu gar keine Auskunft geben. Sagen wir es mal so: Kein Einsatz ist gleich, auch wenn sich die Aufgaben ähneln. Am Ende stehen meist traurige Hinterbliebene, welche teils hoffnungslos, wütend oder ratlos sind und jemanden brauchen, der ihnen in der ersten Zeit mit Ohr und Rat zur Seite steht.
7.
Was war das Schönste Erlebnis im Rahmen Deiner Tätigkeit als Psychosoziale Notfallversorgung?
Antje: Der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit im Team sind immer das Beste an dieser Tätigkeit. Wir kommunizieren mittlerweile mit den Augen und nicht mehr nur mit Worten. Und die Anerkennung vom Gebietsleiter ist ebenfalls toll. Er steht immer hinter und zu uns. Das ist nicht selbstverständlich, da auch er immer im Einsatz ist.
8.
In Sachen Krisenmanagement passiert ja sehr viel gerade. Ich zum Beispiel nehme an allen Kursen von Black Ops Coffee teil, die ja auch zum Krisenmanager ausbilden (Desaster Manager). Da geht es um die Versorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall, wie zum Beispiel einem Blackout, der ja richtig schwere Folgen haben kann (medizinische Versorgung, Lieferketten, Nahrung etc.). Ist bei der Ausbildung zum PSNV auch mehr dazu gekommen auf das sie euch vorbereiten?
Antje: Ja, auch wir sind im Katastrophenfall da. Wir organisieren Hand in Hand mit Feuerwehr und Polizei.
9.
Wie weit musst Du zu Deinen Einsätzen fahren? Habt Ihr sowas wie Vereinsautos oder Mittel mit denen ihr Spritkosten deckeln könnt? Ich kann mir vorstellen, dass wenn man bei einem Ehrenamt nur drauf legt, schnell die Motivation fehlt. Gerade bei jungen Leuten, die nicht gut verdienen.
Antje: Mein Einsatzgebiet befindet sich im Umkreis von 25-30km. Nein Einsatzfahrzeuge haben wir keine, aber die Möglichkeit über eine Reiskostenabrechnung die Spritkosten zu deckeln, was ich schon sehr gut finde, das ist nicht in jedem Ehrenamt selbstverständlich. Man sollte sich im Klarem sein, dass es ein Einsätze sind, um anderen Menschen zu helfen und wenn jeder Einzelne mit Leidenschaft diese Auffassung vertritt, verschwindet auch die Motivation nicht.
10.
Zu guter Letzt bedanke ich mich für das Gespräch und hoffe wir konnten so den Lesern einen kleinen Einblick in die Aufgaben einer psychosozialen Notfallversorgung geben. Hast Du zum Ende hin noch einen Tipp für die Leser, wie sie mit einer besonders schwierigen Situation, die neu ist, besser umgehen können?
Antje: Wichtig ist das Aktivieren des sozialen Umfeldes, genauso das Verständnis dafür, dass jeder anders mit Trauer und schwierigen Situationen umgeht. Es gibt keinen Zeitplan an den man sich halten muss oder an dem man sich orientieren kann. Und wenn Hilfe gebraucht wird sind wir da. Genau wie andere tolle Einrichtungen wie zum Beispiel das Sorgentelefon. Ich möchte mich herzlich für die Möglichkeit bedanken unsere Arbeit mal vorstellen zu dürfen.
Bildquellen
- Ein fall für die psychosoziale Notfallberaterin: Pixabay
- Heldin des Alltags – Antje – psychosoziale Notfallberaterin: Bildrechte beim Autor